Um es vorweg zu nehmen: Yoga ist vielmehr mehr als nur Sport. Eigentlich geht es um etwas völlig anderes. Yoga leidet bei uns im Westen unter einem großen Missverständnis. Abgestempelt als Frauensport und Millionen bringender Industriezweig gerät der wahre Sinn des indischen Philosophiesystems oft in Vergessenheit.
Yoga ist vor allem Meditation
Yoga, wie wir es hier im Westen kennen, hat zwar viel mit sportlicher Ausdauer zu tun und verlangt bei fortschreitender Praxis eine gewisse körperliche Flexibilität von uns. Aber die perfekte Bikinifigur, gutes Aussehen, Follower auf Instagram und bunte teure Leggins haben mit Yoga nichts zu tun, auch wenn uns die Inhalte der sozialen Medien häufig etwas anderes suggerieren. Im Vordergrund steht die geistig philosophische Entwicklung der Yogini / des Yogi, deren Basis ein starker und flexibler Körper bildet.
Yoga ist eines der sechs großen orthodoxen philosophischen Systeme Indiens, Shaddarshanas genannt. Wann genau diese Philosophie entstanden ist, ist nicht bekannt, wir können allerdings davon ausgehen, dass die ersten Yogis vor mehr als 5000 Jahren lebten. Der erste, der die Ziele des Yoga und den Weg diese zu verwirklichen, schriftlich festhielt, war Patanjali, Verfasser des Yogasutra. Das Yogasutra ist als Leitfaden für den yogischen Lebensweg zu verstehen, aufgeteilt in vier Kapitel und 195 Verse. Und im Yogasutra findet sich auch eine erste Begriffsdefinition:

Yoga ist also ein Zustand, indem wir uns mit unserer Umwelt und mit uns selbst in Einheit, in Harmonie befinden. Unsere Gedanken sind ruhig, wir können sie kontrollieren und unsere Umwelt bewusst und objektiv wahrnehmen. Wir sprechen hier also eher über eine Form der Meditation, als über eine Sportart. Der Sankskrit-Begriff Yoga bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie anspannen, anschirren, zusammenbinden oder auch Vereinigung, Verbindung. Diese Begriffe können auf unterschiedliche Weise interpretiert werden. Sie beziehen sich sowohl auf die bewusste Vereinigung von Geist und Körper, als auch auf die Vereinigung – also die Einheit – von Mensch und Gott.
Asanas als Mittel zum Zweck
Wie kommt es dann, dass eine jahrtausende alte Philosophie überwiegend als Sport wahrgenommen wird?
Um den Zustand von Einheit erreichen zu können, gibt Patanjali uns im Yogasutra den achtgliedrigen Pfad an die Hand. Die im Ashtanga Marga enthaltenen Gebote wie zum Beispiel Gewaltlosigkeit, Ehrlichkeit, Enthaltsamkeit, Bescheidenheit und Selbstdisziplin sind nur einige Voraussetzungen, die ursprünglich erfüllt sein mussten, bevor wir beginnen, unseren Körper auf die Meditation vorzubereiten. Und zwar durch Asanas, körperliche Übungen, die wir unter dem Begriff Yoga kennen. Patanjali bezieht sich lediglich in wenigen Versen auf die körperliche Ebene. Und er beschreibt auch keine der vielen Asanas en détail, sondern definiert lediglich wie die letztendliche Position während der Meditation auszusehen hat:

Die Asanas bereiten den Körper auf das Sitzen während der Meditation vor. Sie machen Körper (und Geist) geschmeidig und befreien von Verspannungen. Je nach Wunsch oder Lage können sie anregend, beruhigend, wärmend oder kühlend wirken. Regelmäßige Asanas helfen dem Meditierenden, sich von seinem Körper zu lösen, da dieser ihm keine Beschwerden mehr bereitet. Sie bilden die körperliche Basis für einen stabilen und angenehmen Sitz während der Meditation.
Fazit: Asanas sind ein mächtiges Werkzeug im Yoga, aber sie sind nicht der Yoga.
Yoga in der Zwickmühle
„Yoga? Das ist nichts für mich. Am Ende der Stunde muss man immer so komisch herumliegen.“ Genau das sagte mir jemand neulich. Und dieses Phänomen beobachte ich häufiger: Sport, ja klar, der macht fit, hält jung. Aber Gelassenheit und innere Ruhe entwickeln, den Geist zur Ruhe bringen, meditieren – das verbinden viele Menschen einfach (noch) nicht mit Yoga. Sie sind irritiert, wenn die Stunde mit drei Om begonnen und mit Shavasana beendet wird. Sie wissen nicht, dass Meditation und der Atmen wichtige Bestandteile einer Stunde sind. Dass es nicht darum geht, sich auszupowern sondern zu sich – bei sich selbst anzukommen.
Andererseits suchen jedoch immer mehr Menschen nach einem Ausgleich zu ihrem oft hektischen Alltag, wollen Ruhe finden und mal alles loslassen, wollen mehr als sich körperlich ertüchtigen und finden genau aus diesen Gründen zum Yoga. Diese Menschen suchen genau die oben angesprochenen Elemente oder nehmen sie begeistert auf.
Yoga steckt im Westen also nach wie vor in einer Art Zwickmühle. Für die einen eine Form, sich fit und gesund zu halten, für die anderen ein philosophischer Lebensweg.
Was ist Yoga für euch? Lebensweg? Beruf oder vielleicht sogar Berufung? Fitness? Oder vielleicht etwas von allem? Wie nehmt ihr als Schüler die philosophischen Elemente in den Stunden wahr? Und wie vermittelt ihr als Lehrer euren Schülern die Philosophie und die Geschichte hinter den körperlichen Übungen?
Wir freuen uns auf eure Komentare…
Was ist Yoga für mich?
Ein Tag mit Yoga ist besser als ein Tag ohne. So einfach. Und so schwer.
Tapas ist nicht jeden Tag vorhanden, der Schweinehund lauert immer tamasig im Eck.
Yui, das Joch. Kraftvolle Tiere in ein Geschirr gespannt ziehen einen Wagen. Geduldig über Stock und Stein. Und wenn man nicht mehr kann, ruht man aus und fängt neu an.
Dafür ist man als heutiger europäischer Mensch nicht gemacht, obwohl man sich so sehr danach sehnt: Ruhe Gleichmut Freiheit.
Seufz
Was bin ich froh, Yoga begegnet zu sein 🙂
Noch vergessen: Und ja, manchmal ist es auch sehr sportlich. Und manchmal ist es nicht sportlich, aber mental anstrengend. Manchmal ist es ein wunderbarer flow und manchmal einfach scheiße.
Hallo Anke, wow, sehr schön ausgedrückt… und genau auf den Punkt getroffen.
Hallo, na ja angefangen hat es für mich auch mit körperlicher Bewegung. Wenn ich daran denke wie unbeweglich ich Anfangs war und ich wollte fitter werden, habe mal Yoga ausprobiert, kam nicht mehr davon los 🙂 . Die Veränderungen spiritueller Natur kam über die Jahre schleichend in mein Leben. Nach nunmehr 6-7 Jahren Yogapraxis in Hatha Yoga (ohne Hochglanzleggings) mit tollen Lehrern verspürte ich den Wunsch Yoga weiterzugeben. Jetzt bin ich selbst Yogalehrerin und beschäftigte mich mit Patanjali und anderen spirituellen Weisheiten. Hätte ich nie gedacht als ich anfing… wie gesagt alles fing an mit körperlicher Bewegung. Genauso kenne ich viele andere Menschen die sich über das Hatha Yoga spirituell und persönlich automatisch weiter entwickelt haben, manche auch nicht, aber doch einige…